Zuhause ist nicht für jedes Kind ein sicherer Ort!
15/04/2020
Dies sind Fragen, die wir uns als Kinderhilfsorganisation in Zeiten der Corona-Krise und dem damit verbundenen Verweilen in den eigenen vier Wänden als erste stellen. Natürlich ist es eine unabdingbare Maßnahme – das „Zuhause“ bleiben – um den Verlauf des Virus zu verlangsamen. Das möchten wir auf keinen Fall in Frage stellen. Die Frage, die wir uns aber stellen müssen, ist die, ob gerade dieses „Zuhause“ für viele Kinder einen sicheren Ort darstellt. Und wir kennen die Antwort – auch schon vor dem aktuellen „Hausarrest“.
NEIN!
Die aktuelle Corona-Krise hat zur Folge, dass Familien über einen längeren Zeitraum ununterbrochen und häufig ohne Privatsphäre die Zeit zuhause verbringen müssen. Dieser aktuell noch anhaltende Zustand, geschuldet aus den starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Kombination mit ganz individuellen Veränderungen z.B. der Arbeitssituationen (Kurzarbeit, kompletter Ausfall des Einkommens etc.) können die Gefahr für häusliche und sexualisierte Gewalt erhöhen. Für Kinder und Jugendliche, die in ihrem „normalen“ Alltag bereits auf die tägliche Unterstützung von Lehrer*innen, Erzieher*innen oder Sozialarbeiter*innen angewiesen sind, fällt durch diese Situation das Netz aus Hilfeleistungen von einem auf den nächsten Tag weg. Ihnen stehen nun nicht mehr, wie üblich direkte Ansprechpartner zur Verfügung.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, äußerte sich erneut besorgt über mögliche Folgen der im Zuge der Corona-Krise notwendigen und einzuhaltenden Kontaktverbote: „Für Kinder und Jugendliche, die sexuellem Missbrauch in der Familie ausgesetzt sind, können die aktuellen Einschränkungen bedeuten, dass Täter und Täterinnen noch unbemerkter vom sozialen Umfeld sexuelle Gewalt ausüben können. Eine mögliche Gefährdungslage oder Zuspitzung einer familiären Krisensituation wird noch schwerer bemerkt werden, ein Kind in Not noch leichter aus dem Blick geraten. Aus der aktuellen Tatsache, dass Einrichtungen wie Schulen, Sportvereine oder Jugendzentren geschlossen sind, wo Missbrauch und andere Gewaltformen im familiären Kontext entdeckt werden könnten, können sich Szenarien ergeben, in denen Mädchen und Jungen ohne Aussicht auf Hilfe über einen nicht absehbaren Zeitraum Gewalt ausgeliefert sind.“
Daher rufen zudem auch die Hilfsorganisationen dazu auf Zivilcourage zu zeigen, denn schützende soziale Nähe und Verantwortung darf auch in Zeiten der Corona-Krise nicht fehlen.
Der Betroffenenrat des UBSKM macht vor dem Hintergrund der Corona-Krise darauf aufmerksam, dass Hilfeangebote für Betroffene sexualisierter Gewalt aufrechterhalten werden müssen: “Als von sexualisierter Gewalt Betroffene wissen wir, wie sehr Kinder darauf angewiesen sind, dass ihre Signale wahrgenommen und dass sie gesehen und gehört werden.“
Diejenigen, die wissen wollen, wie sie ihr Kind oder ein Kind, das sie kennen, das bspw. in der Nachbarschaft lebt, schützen können, sollten sich kostenfrei und auf Wunsch anonym an das Hilfetelefon sexueller Missbrauch wenden. Hier bekommen sie auch Rat, wenn Sie unsicher sind oder Fragen zum Thema stellen möchten oder Entlastung, Unterstützung und Beratung suchen. Ein psychologisch und pädagogisch ausgebildetes Team mit langjähriger beruflicher Erfahrung im Umgang mit sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen hört zu, berät und gibt Informationen.
Hilfetelefon: 0800/22 55 530 (kostenfrei und auf Wunsch anonym)
Aktion Hilfe für Kinder unterstützt die Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ und versteht sich auch in der Corona-Krise als Teil der Bewegung „Gemeinsam gegen Missbrauch“.
Jetzt kein Kind alleine lassen ->
Soforthilfe für Kinder und Erwachsene unter www.kein-kind-alleine-lassen.de